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Exhibition
14.02.2025 - 21.03.2025

Sarah Bogner | Fallende Früchte

Please scroll down to the German version and the poem of Sarah Bogner

Press release

The animal in us, or the fruit doesn't fall far from the tree
Florian Waldvogel

Sarah Bogner's paintings offer a deconstructive perspective on hybrid beings––those that move between human and animal––as well as on one of the longest-standing themes in art history: the fruit still life. Her art is based on the instability of meanings and the challenging of identity boundaries, thus inviting the viewer to question established notions of thinking and perception. In her pictures we encounter beings that are neither clearly animal nor human. Their existence provokes a re-assessment of the traditional metaphysical distinction between the two categories and points to the fragility of the concepts we use to classify the world.

A philosophical reflection about these hybrid beings will inevitably bring us to Martin Heidegger, who in Being and Time postulates a fundamental difference between the human Dasein (being) and all other entities. While humans consciously construct and shape their existence, animals remain in a state of “world-poverty”––a term used by Heidegger to describe their limited relation to the world. This distinction, which attributes a unique position to humans, is questioned in Bogner's work. Her pictures address the classic dichotomy between humans and animals and raise the question of where exactly the demarcation between the two is to be found. By giving horses human features, gestures and facial expressions, she destabilizes the anthropocentric perspective that defines the human being as the rational subject and the animal as the being that is driven by instinct.

Contemplating and writing about Bogner's hybrid beings clearly reveals the shortcomings of our linguistic and conceptual categories. Her paintings deconstruct these structures and show that our conceptions of humans and animals are not given by nature, but are rather historically and culturally conditioned. They result from a network of references and distinctions, which is constantly shifting. This insight is in harmony with French philosopher Jacques Derrida's critique of an anthropocentric ethics. In The Animal That Therefore I Am, Derrida argues that traditional philosophy has constructed the animal as the “the wholly other” in order to justify the supremacy of humans. Instead, he calls for an ethics that remains open to the other––to that which defies a complete conceptualization. An ethics that excludes the animal, according to Derrida, remains fragmentary.

Her mythical creatures also recall Derrida's concept of “hauntology”, which he developed in Specters of Marx. This theory depicts how concepts and notions from the past continue to operate in the present without ever being fully present or absent. In this sense, Bogner's hybrid figures seem to be ghosts that haunt the old boundaries between humans and animals and confront us with the impermanence of our conceptions. But could the ascription of human characteristics to animals not also be interpreted as a projection of our own “being-in-the-world”? Perhaps it offers the opportunity to get a better understanding of human existence. What makes humans human, and what separates them from animals? Are Bogner's hybrid beings a threat to human identity, or are they rather a reminder that man has always been an animal as well?

The “Falling Fruits” also allows for a reflection on the nature of reality and our perception thereof. Are these fruits actually falling, or are they floating? Their depiction in Bogner's painting defies gravity and thus challenges our customary notions of physical laws. Arguably, they expose the arbitrariness of our concepts of 'normal' and 'natural'. They show that these terms are rooted in assumptions and cultural hierarchies that are by no means universally valid. Our perception of reality is conveyed through linguistic and cultural structures, and Bogner's paintings remind us that what we understand as “reality” is invariably filtered through conceptual frameworks.

The fruit still lifes in their limbo state escape conventional logic of cause and effect. They are a glimpse of the miraculous in the everyday. In Heidegger's philosophy, a thing enters into the mode of “presence-at-hand” the moment it loses its usual functionality or is removed from its practical context. Only in this state will it become an object of theoretical consideration. Floating oranges could thus be seen as a symbol of the transcendence of gravity and hence metaphorically as a symbol of the overcoming of mortality. Yet in the end they do fall––into a world they did not choose.

Pressetext

Das Tier in uns oder die Frucht fällt nicht weit vom Stamm
Florian Waldvogel

Sarah Bogner bietet mit ihrer Malerei eine dekonstruktive Perspektive auf hybride Wesen – jene, die sich zwischen Mensch und Tier bewegen – sowie auf eines der ältesten Themen der Kunstgeschichte: das Früchtestillleben. Ihre Kunst basiert auf der Instabilität von Bedeutungen und der Infragestellung von Identitätsgrenzen, wodurch sie den Betrachter dazu einlädt, fest etablierte Konzepte des Denkens und der Wahrnehmung zu hinterfragen. In ihren Bildern begegnen wir Wesen, die weder eindeutig Tier noch Mensch sind. Ihre Existenz provoziert eine Neubewertung der traditionellen metaphysischen Unterscheidung zwischen beiden Kategorien und verweist auf die Fragilität der Konzepte, mit denen wir die Welt ordnen.

Die philosophische Reflexion über diese Hybride führt unweigerlich zu Martin Heidegger, der in Sein und Zeit eine fundamentale Differenz zwischen dem menschlichen Dasein und allen anderen Seienden postuliert. Während der Mensch seine Existenz bewusst entwirft und gestaltet, verbleiben Tiere in einem Zustand der „Weltarmut“ – eine Bezeichnung, mit der Heidegger ihre eingeschränkte Beziehung zur Welt beschreibt. Diese Unterscheidung, die dem Menschen eine einzigartige Stellung zuschreibt, wird in Bogners Werk hinterfragt. Ihre Bilder problematisieren die klassische Dichotomie von Mensch und Tier und werfen die Frage auf, wo genau die Grenze zwischen beiden verläuft. Indem sie Pferden menschliche Züge, Gesten und Mimik verleiht, destabilisiert sie die anthropozentrische Perspektive, die den Menschen als das vernunftbegabte Subjekt und das Tier als das instinktgetriebene Wesen definiert.

Das Nachdenken und Schreiben über Bogners hybride Wesen offenbart schnell die Unzulänglichkeit unserer sprachlichen und konzeptuellen Kategorien. Ihre Malerei dekonstruiert diese Strukturen und zeigt auf, dass unsere Vorstellungen von Mensch und Tier nicht naturgegeben, sondern historisch und kulturell bedingt sind. Sie resultieren aus einem Netz von Verweisen und Differenzen, das sich fortwährend verschiebt. Diese Einsicht steht im Einklang mit der Kritik des französischen Philosophen Jacques Derrida an der anthropozentrischen Ethik. In Das Tier, das ich also bin argumentiert Derrida, dass die traditionelle Philosophie das Tier als das „ganz Andere“ konstruiert hat, um die Überlegenheit des Menschen zu rechtfertigen. Er fordert stattdessen eine Ethik, die offen bleibt für das Andere, für das, was sich einer vollständigen Begriffsbildung entzieht. Eine Ethik, die das Tier ausschließt, so Derrida, bleibt unvollständig.

Ihre Fabelwesen rufen auch Derridas Konzept der „Hauntologie“ in Erinnerung, dass er in Marx’ Gespenster entwickelte. Diese Theorie beschreibt, wie Konzepte und Ideen aus der Vergangenheit in der Gegenwart weiterwirken, ohne je vollständig präsent oder abwesend zu sein. In diesem Sinne erscheinen Bogners hybride Figuren als Gespenster, die die alten Grenzen zwischen Mensch und Tier heimsuchen und uns mit der Unbeständigkeit unserer Konzepte konfrontieren. Doch könnte die Zuschreibung menschlicher Eigenschaften an Tiere nicht auch als eine Projektion unseres eigenen „In-der-Welt-Seins“ verstanden werden? Vielleicht eröffnet sie die Möglichkeit, das menschliche Dasein besser zu begreifen. Was macht den Menschen zum Menschen, und was trennt ihn vom Tier? Sind Bogners hybride Wesen eine Bedrohung für die menschliche Identität, oder sind sie vielmehr eine Erinnerung daran, dass der Mensch immer schon auch ein Tier war?

Auch in Bezug auf die „Fallenden Früchte“ eröffnet sich eine Reflexion über die Natur der Realität und unsere Wahrnehmung derselben. Fallen diese Früchte tatsächlich, oder schweben sie? Ihre Darstellung in Bogners Malerei widersetzt sich der Schwerkraft und stellt damit unsere gewohnten Vorstellungen von physikalischen Gesetzen infrage. Man könnte argumentieren, dass sie die Arbitrarität unserer Begriffe von „normal“ und „natürlich“ entlarven. Sie zeigen, dass diese Begriffe auf impliziten Annahmen und kulturellen Hierarchien beruhen, die keineswegs universell gültig sind. Unsere Wahrnehmung der Realität wird durch sprachliche und kulturelle Strukturen vermittelt, und Bogners Malerei erinnert uns daran, dass das, was wir als „Realität“ begreifen, immer schon durch konzeptuelle Rahmen gefiltert ist.

Die Früchtestillleben in ihrer Schwebe entziehen sich der üblichen Logik von Ursache und Wirkung. Sie sind eine Spur des Wunderbaren im Alltäglichen. In Heideggers Philosophie tritt ein Ding in den Modus der „Vorhandenheit“, sobald es seine gewohnte Funktionalität verliert oder aus seinem praktischen Kontext herausgerissen wird. Erst in diesem Zustand wird es zum Gegenstand theoretischer Betrachtung. Schwebende Orangen könnten somit als Symbol für die Überwindung der Schwerkraft und damit metaphorisch für die Überwindung der Sterblichkeit gelesen werden. Letztlich fallen sie doch – in eine Welt, die sie nicht gewählt haben.

 

Sarah Bogner

Fallende Früchte

 

Kein Holzweg

außer man geht ihn

tief hängen die Früchte

im Blattwerk

für alle die fallen

fallen sie

 

Keine Frucht ist ein Eiland

Keine Apfelsine

außer man trifft sie

(schaumgeborgen)

für alle die landen

landen sie.

 

 

Falling Fruits

 

No wrong path

unless you walk it

low hang the fruits

in the foliage

for all who fall

they fall

 

No fruit is an island

no orange

unless you strike it

(foam held)

for all who land

they land