Ulrich Wulff | Familie
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Press release
Interview Ulrich Wulff with Alexander Linn and Alexandra Tretter
Alexander Linn (AL): Your new paintings don't seem figurative at all anymore, but instead abstract and geometric in a rational way. How does that come about? Are you abandoning the figure or is the figure abandoning you?
Ulrich Wulff (UW): I think there's a figure in every painting. At least that's the case with me, because I have been developing my painting from figures since the beginning. Depending on what they are asking for, I create an overall view, I fragment or zoom in. Accordingly, the appearance of the depiction changes, independent of categories such as abstract and figurative. Perhaps you could say that all my paintings represent both the one and the other. This is also the case with the latest images, which are on view here now.
Alexandra Tretter (AT): We just released a catalogue that showcases the last 17 years of your painting. When I flip through it, I'm struck by the fact that for years all the shapes in your paintings have been curved and round, and now suddenly they're very angular, less organic, not done with the same loose hand. What's going on there?
UW: Right. It's different now. Although my first pictures, which are also part of the catalogue, already show a clear edge. I don't consciously refer to that, but it certainly resonates in the new ones.For me, by the way, they are made with an absolutely loose hand. Rather, with both hands, because one holds the ruler––and thus the direction––and the other carries out the line. This creates a dialogue between the two.The execution follows the instinct, which makes me willing to accept things that I would otherwise reject. This starts with my signature, where I almost always slip up, even without intention. In such details I recognize a truth that is difficult to grasp because it happens incidentally, as if by itself and without a plan.
AL: Your new paintings are almost reminiscent of the constructive tendencies in the sixties and seventies (Fruhtrunk, Pfahler, Gaul, Krushenick). Is it a conscious reference to that period?
UW: No. After all, what unites the four positions you mentioned is a certain penchant for the graphic, for austerity, and for rapport. My paintings, on the other hand, work with sensation and expression. They have something playful and light. I use the depicted geometry to visualize an empathic dialogue between line and surface, as the foundation of any painting.
AT: You just mentioned your signature. It also reappears on the picture plane, like in your early paintings between 2004 and 2010. After that it disappeared. Where does it come from now?
UW: Until recently, a signature in the image space was too dominant for me, because it immediately creates an additional topic. That's why I hid all the words in the back. It also happened a bit out of shame, because my name is still a mystery to me. This suggests that my signature is possibly an essential part of my own image making, and that's why everything is on the front now. I don't want any more access control or classification into major and minor things on the way to the pictorial––and thus ultimately to myself.
AL:And the colors: is there a typical Wulff palette?
UW: I've never tried to rule out any colors. But I know by now that there is a too much for me, which leads nowhere, and certainly not to a good painting. In the past, I have sometimes lost myself in a notion of classical craftsmanship, about which people would say: "well-painted surface". But I have realized that this is not my subject. I understand this momentary reduction as a careful scanning into the flatness, with new eyes.
AL: I should like to return to the title "Family." Do you see these six paintings you are showing as a fixed group––meaning as a family of sorts, that then disintegrates after the exhibition?
UW: I would indeed say that an exhibition like this is a kind of family reunion. And I've certainly tried to conceive the paintings in such a way that they respond to each other. It is good as an initial orientation, but then everything will take its own course. However, the title also describes the radical transformation that my personal life has undergone since I got married six years ago and had two children. It's all connected. And these connections are ultimately what it's all about for me. It's about what connects us all, whether we like it or not, meaning as people with souls and so on.
AL: So where do you go from here? NFTs?
UW: I am always following my nose.
Pressetext
Interview Ulrich Wulff mit Alexander Linn und Alexandra Tretter
Alexander Linn (AL): Deine neuen Bilder erscheinen gar nicht mehr figurativ, sondern abstrakt und rational geometrisch. Wie kommt das? Verlässt du die Figur oder verlässt dich die Figur?
Ulrich Wulff (UW): Ich glaube, in jedem Bild steckt eine Figur. Zumindest ist das bei mir so, weil ich von Anfang an meine Malerei aus Figuren entwickelt habe. Je nachdem, was diese wollen, entwerfe ich eine Gesamtansicht, fragmentiere oder zoome heran. Entsprechend verändert sich das Aussehen der Darstellung, unabhängig von Kategorien wie abstrakt und figurativ. Vielleicht könnte man sagen, dass alle meine Bilder sowohl das eine wie auch das andere verkörpern. Das gilt auch für die neuesten Bilder, die jetzt hier zu sehen sind.
Alexander Tretter (AT): Wir haben gerade einen Katalog herausgebracht, der die letzten 17 Jahre deiner Malerei vorstellt. Wenn ich den durchblättere, fällt mir auf, dass in deinen Bildern über Jahre alle Formen geschwungen und rund sind, und jetzt plötzlich sehr kantig, weniger organisch, nicht so locker aus der Hand. Was ist da los?
UW: Stimmt. Das ist jetzt anders. Wobei meine ersten Bilder, die ja auch im Katalog vorkommen, schon klare Kante zeigen. Das greife ich zwar nicht bewusst auf, aber es schwingt sicherlich mit in den Neuen. Für mich sind die übrigens absolut locker aus der Hand gemacht. Vielmehr aus beiden Händen, denn die eine hält das Lineal, und damit die Richtung, und die andere führt die Linie aus. So entsteht ein Dialog zwischen den beiden. Die Ausführung folgt dabei dem Instinkt, der mich bereit macht, Dinge zu akzeptieren, die ich sonst ablehnen würde. Das fängt ja schon bei meiner Unterschrift an, bei der ich mich so gut wie immer verschreibe, auch ohne Absicht. In solchen Details erkenne ich eine Wahrheit, die schwer zu fassen ist, weil sie beiläufig passiert, wie von alleine und ohne Plan.
AL: Deine neuen Malereien erinnern fast an die konstruktiven Tendenzen in den sechziger und siebziger Jahren (Fruhtrunk, Pfahler, Gaul, Krushenick). Ist das eine bewusste Referenz an diese Zeit?
UW: Nein. Was die vier von dir genannten Positionen eint, ist ja eine gewisse Neigung zur Grafik, zur Strenge, und zum Rapport. Meine Bilder arbeiten dagegen mit Empfindung und Expression, sie haben etwas Spielerisches und Leichtes. Die dargestellte Geometrie benutze ich, um einen empathischen Dialog zwischen Linie und Fläche sichtbar zu machen, als Grundlage jeder Malerei.
AT: Du hast eben deine Unterschrift angesprochen, die taucht auch wieder auf der Bildfläche auf. Wie auf deinen frühen Bildern zwischen 2004 und 2010, danach ist sie verschwunden. Woher kommt sie nun?
UW: Bis vor Kurzem war mir ein Unterschreiben im Bildraum zu dominant, weil das dann gleich ein zusätzliches Thema da platziert. Deswegen habe ich alle Wörter hinten versteckt. Auch ein bisschen aus Scham, weil mein Name für mich nach wie vor ein Rätsel ist. Was die Vermutung nahelegt, dass meine Unterschrift eventuell ein essentieller Teil meiner eigenen Bildfindung ist, und deswegen ist jetzt auch alles vorne drauf. Ich möchte keine Zugangskontrollen und keine Einteilung in Haupt- und Nebensachen mehr auf dem Weg zum Bildlichen, und damit letztlich zu mir selbst.
AL: Und die Farben: gibt es eine typische Wulff-Palette?
UW: Ich habe nie versucht, irgendwelche Farben auszuschließen. Ich weiß mittlerweile aber, dass es für mich ein Zuviel gibt, das nirgendwo hinführt, und schon gar nicht zum guten Bild. Ich habe mich da teilweise in der Vergangenheit in so einer Vorstellung von klassischer Meisterhaftigkeit verloren, wo Leute dann sagen können: „toll gemalte Fläche“. Aber ich hab verstanden, dass das nicht mein Thema ist. Diese momentane Reduzierung verstehe ich als behutsames Tasten in die Flächigkeit, mit neuen Augen.
AL: Dann würde ich noch mal auf den Titel „Familie“ eingehen. Verstehst du diese sechs Bilder, die du zeigst, als feststehende Gruppe, also als eine Art Familie, die sich dann nach der Ausstellung auflöst?
UW: Ich würde schon sagen, dass so eine Ausstellung eine Art Familientreffen ist. Und ich habe bestimmt versucht, die Bilder so zu konzipieren, dass sie aufeinander reagieren. Als erste Orientierung ist das gut, aber dann nimmt alles seinen eigenen Lauf. Der Titel beschreibt aber auch die radikale Änderung, die mein Privatleben genommen hat, seit ich vor sechs Jahren geheiratet und zwei Kinder habe. Das hängt alles zusammen. Und um diese Zusammenhänge geht es mir letztlich. Um das, was uns alle verbindet, ob wir wollen oder nicht, also als Menschen mit Seele und so weiter.
AL: Und wie geht's jetzt weiter? NFTs?
UW: Es geht immer der Nase nach.