Licht an, Körper
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Press release
We are delighted to present Tobias Hantmann’s forth solo exhibition in our gallery. As with his 2011 exhibition titled Pistill der Iris (pestle of the iris), this new series of works will again be shown for the very first time in our gallery in Innsbruck.
Asked about how the drawings or paintings on monochrome velour carpets came about, Hantmann recently revealed in an interview:
“… I hadn’t actually planned to directly use the material for my work, but rather imagined that the velour piece would make a good sketch board on a wall in the studio: quick to draw on, and quick to erase. But then it became obvious how the appearance of this kind of screen clearly differed from all my other works. That alone would probably not have been interesting enough. What was special, however, was the fact that this unknown medium allowed me to directly translate much of what I was engaging myself with at the time in the field of painting.”
Since the year 2006, Tobias Hantmann has repeatedly found himself in the following situation: He prepares a piece of velour fabric or velour carpet as a screen in order to paint on or in this surface. However, rather than applying another material, the soft fibers of the velour are aligned in a way that the resulting nuances of light and shade generate the image.
Due to the specific – and perhaps somewhat strange – conditions the formulations inscribed in the material seem like occurrences whose degree of reality cannot be clearly determined. The real light illuminating the shimmering screen smoothly merges into the depicted light of the image.
Hantmann uses different pictorial sources for his velour images: initially he picked up on tried and tested graphic designs from his previous works, before adding volume to the plotted frames and transforming them into compositions of piled cooking pots. Photographs of his studio, taken in complete darkness and illuminated using harsh flash, followed. Created in a similar manner, the drafts for the series of manger images were conflated with extensive geometric compositions in the artist’s last exhibition.
Light on, body
The current images show fragmental views of human bodies.
The selected details leave the body parts, acts and gestures torn out of context. As Tobias Hantmann explains, he has combined two sources for this series: stills of pornographic films and photographs of figures by George Segal.
The focus on the plastic character of the body shape pushes back the objective, the purpose or the significance of the act itself, making way for: hands, skin, gleam, wrinkles, uncontrolled touch, volume, bumps, squeezing and being squeezed, stroking and groping.
Segal’s direct impressions of human bodies were not used as moulds, but the plaster shells themselves, with all the traces of the craft process, became the final exhibits. Segal combined the mostly white figures with everyday objects and scenic props. The plaster bodies meet colored objects. This creates the effect of blank spaces within the colored setting. In later works, Segal decided to also color the figures themselves.
It seems that for Tobias Hantmann it is precisely this aspect that is directly related to his own situation, as he begins to color the contents and forms of the image in the exact moment he transfers them into the monochromatic surface of his medium.
Segal’s work resembled that of a film director. His space is an often black stage, orchestrated by means of dramatic lighting. Hantmann’s images are physically tangible structures; when grasping the screen, they point to a sphere beyond actual space. All depictions are subject to the conditions immanent to the image. Hantmann’s stage is not the space in the gallery, but the imaginary space beyond the walls that becomes accessible through the serial sequence of the works. Equably they break through the self-contained definition of space without creating a coherent imagery. The fragments, which appear to be seen through colored filters, differ in their variable distance to the bodies, their variation of perspectives, their degree of detail and the way they are presented.
The appearance of the bodies and their artistic transformation thus hardly allow for any inferences to be drawn about the sources of the images. The surfaces of the plastics appear to come to life through the evanescence of the lighting (and the photographic exposure?). The interactions of the animated bodies seem direct, deliberately unstaged and laconic – bodies that clash.
Pressetext
Wir freuen uns sehr, die vierte Einzelausstellung von Tobias Hantmann in unserer Galerie zu präsentieren.
Wie schon bei seiner Ausstellung Pistill der Iris (2011) wird auch diese neue Serie von Bildern zum ersten Mal überhaupt hier in den Räumen in Innsbruck vorgestellt.
Auf die Frage, wie es eigentlich zu den Zeichnungen bzw. Malereien auf monochromen Velours-Teppichen gekommen war, antwortete Hantmann vor kurzem in einem Gespräch:
„ … Ich hatte gar nicht vor, das Material direkt für meine Arbeit zu verwenden, sondern stellte mir das Velours-Stück an einer Wand im Atelier als gute Skizzentafel vor: schnell zu bezeichnen und schnell wieder zu löschen. Dort sah ich dann aber deutlich, wie sehr sich die Anmutung dieser Bildfläche von allen meinen anderen Bildern unterschied. Das allein wäre sicher nicht interessant genug gewesen. Aber das Besondere war ja, dass ich vieles, was mich gerade im Feld der Malerei beschäftigte, direkt in dieses unbekannte Medium übersetzen konnte.“
Seit dem Jahr 2006 bringt sich Tobias Hantmann immer wieder in folgende Situation: Er präpariert ein Stück Velours-Stoff oder Velours-Teppich als Bildträger, um auf bzw. in dieser Bildfläche zu malen. Dabei wird kein weiteres Material aufgetragen, sondern die weichen Fasern des Velours werden so ausgerichtet, dass die dadurch entstehenden Hell-dunkel-Abstufungen des Farbtons zur Darstellung führen.
Diese dem Material eingeschriebenen Formulierungen wirken durch die spezifischen, vielleicht auch seltsamen Bedingungen wie Erscheinungen, deren Realitätsgrad nicht eindeutig bestimmbar ist. Der Übergang vom realen Licht, das die changierende Bildfläche beleuchtet, geht dabei fließend in das dargestellte Licht des Bildraums über.
Für seine Velours-Bilder verwendet Hantmann unterschiedliche Bildquellen: anfänglich griff er bereits erprobte, grafische Zeichnungen aus älteren Arbeiten von sich auf, dann fügte er gezeichneten Gerüsten Volumen hinzu und bildete daraus Kompositionen gestapelter Kochtöpfe. Es folgten bei völliger Dunkelheit aufgenommene und mit hartem Blitzlicht ausgeleuchtete Fotografien seines Ateliers. Ähnlich entstanden auch die Vorlagen für die Reihen der Krippenbilder, die er hier in seiner letzten Ausstellung mit flächigen, geometrischen Kompositionen zusammenführte.
Licht an, Körper
Die aktuellen Bilder zeigen fragmentarische Ansichten menschlicher Körper.
Die Körperteile, Handlungen und Gesten sind durch die Art der Ausschnitte aus ihrem Kontext gerissen. Tobias Hantmann erzählt, dass er für diese Serie zwei Quellen kombinierte: Stills aus pornografischen Filmen und Fotografien von Figuren George Segals.
Der Fokus auf das Plastische der Körperform lässt das Zielgerichtete, den Zweck oder die Bedeutung der Handlung zurücktreten. Dagegen treten hervor: Hände, Haut, Glanz, Falten, unkontrollierte Berührung, Volumen, Unebenheiten, das Drücken und gedrückt Werden, das Streichen, das Tasten.
Segals direkte Abformungen menschlicher Körper wurden anschließend nicht abgegossen, sondern als Gips-Hüllen mit all den Spuren des handwerklichen Prozesses ausgestellt. Die zumeist weiß belassenen Figuren kombinierte Segal mit alltäglichen Gegenständen und kulissenhaften Versatzstücken. Die gipsernen Körper treffen auf farbige Gegenstände. Dabei wirken sie wie Leerstellen innerhalb der farbigen Kulisse. Bei späteren Arbeiten beschloss Segal dann auch die Figuren selbst einzufärben.
Für Tobias Hantmann scheint gerade dieser Aspekt direkt mit seiner eigenen Situation verbunden, da er die Bildinhalte und Formen in dem Moment einzufärben beginnt, in dem er sie in die monochrome Fläche seiner Bildträger überführt.
Segal arbeitete wie ein Regisseur. Sein Raum ist eine oftmals schwarze Bühne, inszeniert durch dramatische Beleuchtung. Hantmanns Bilder sind physisch erfahrbar als Gebilde, die beim Erfassen der Bildfläche in einen Bereich jenseits des Realraums weisen. Alle Darstellungen werden den bildimmanenten Bedingungen unterworfen. Hantmanns Bühne ist nicht der Raum der Galerie, sondern der imaginäre Raum jenseits der Wand, der durch die serielle Abfolge der Bilder zugänglich wird. Gleichförmig durchbrechen diese die geschlossene Raumbegrenzung, ohne dabei eine kohärente Bildwelt zu erzeugen. Die wie durch farbige Filter gesehenen Fragmente unterscheiden sich durch wechselnde Distanz zu den Körpern, Variation der Perspektiven, Grad der Detailliertheit und Art der Darstellungen.
Die Anblicke der Köper und deren bildnerische Verwandlung lassen dabei kaum mehr Rückschlüsse auf die Bildquellen zu. Die Oberflächen der Plastiken wirken durch das Momenthafte der Beleuchtung (und der fotografischen Belichtung?) wie belebt. Die Interaktionen der lebenden Körper scheinen direkt, bewusst uninszeniert und lakonisch – Körper, die aufeinander treffen.