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Exhibition
10.03.2007 - 02.04.2007

Lisa Endriss, Herbert Hinteregger

Pressetext

„Es gibt keinen Maßstab mehr für Wahrheit, Kausalität und Verantwortlichkeit.“ So sagte der eben verstorbene Jean Baudrillard. Es gäbe kein Wahr und kein Falsch mehr. Es bestünden die Dinge heute nicht aus einer, zwei oder drei Dimensionen, nein sie würden in einer Zwischendimension schweben.

Mit Lisa Endriss und Herbert Hinteregger treffen in der Galerie Bernd Kugler zwei Künstler aufeinander, die in ihrem Ausdruck als Maler unterschiedlicher nicht sein können, und doch stellen ihre Bezugssysteme sie in eine Nähe zueinander.

Lisa Endriss zeigt Bilder, deren Vorlagen den Massenmedien entstammen. Nebeneinader hängen Bilder von Wrestlingkämpfen, von chinesischen Arbeitern bei der Arbeitspause, von einem Tiger als Haustier zusammen mit einem Menschen im Bett usf. Die Bilder wirken herausfordernd flach, von greller Farbigkeit, schnell. Hintergrund und abgebildete Personen werden gleich, scheinbar teilnahmslos radikal dem Malvorgang unterworfen. Soziale Zusammenhänge, Nöte, Katastrophen, alles verschwimmt auf einer immergleichen Oberfläche. Und doch: der Betrachter will sich die Inhalte wiederholen, ist provoziert. Noch nie so wie heute war man einer solch gigantischen Bilderflut ausgesetzt, einer Konkurrenz der Medien, die um Aufmerksamkeit buhlen. Der Grund für die Informationsflut hat sich verkehrt: Katastrophen sind Geschäft, Leid bildet Zuschauerquoten, Krieg ist Alltag, und die Kommedie sorgt für Aufmunterung.

Diese Verkehrung verkehrt Lisa Endriss mit ihren Bildern ein weiteres Mal, und stellt die Verhältnisse so wieder auf die Beine. Sie zeigt ihre Bildvorlagen als Ware, als Datenhaufen, der jede Teilnahme außer der kommerziellen hinter sich gelassen hat. Und die Suche nach dem Bild fängt für sie genau da an, was diese Bilder noch transportieren können, besser nicht mehr können. Lisa Endriss sucht im Dickicht der Wahrnehmungssysteme einen Standort zu finden, Relevanzen wieder sichtbar zu machen. Sie zeigt was auf den Bildern drauf ist – was dahinter steht, ist die Bild gewordene Aufforderung an den Betrachter nach Humanität.

Herbert Hintereggers vier Bilder erschließen sich nicht leicht. Sie fordern Konzentration ein, genaue Betrachtung. Reliefartig, präzis, und für das Auge herausfordernd ziehen sich bei den drei weißen Gemälden Linien über das Bild, jedoch nicht ganz bis zum Rand. Ein Rand des weiß grundierten Bildes wie auch der Raum zwischen den Linien lässt die Leinwandstruktur erkennen. Dem Betrachter wird das Gegenständliche der Bilder deutlich, gerade auch durch die Hervorhebung der Linien, die auch in derselben weißen Grundierfarbe ausgeführt sind und denen nichts Gestisches anhaftet. Nun sind Reliefs meist aus festen Materialien hergestellt, Herbert Hinteregger bezieht sich mit Keilrahmen und Leinwand jedoch auf die Tradition der Malerei. Gerade dazwischen, zwischen Gemälde und Relief und der Benutzung von Grundierfarbe als Farbmittel stellt sich eine Spannung ein, die Fragen eröffnet. Die Titel, meistens bei Herbert Hinteregger „Untitled“, ein näherer Verweis nach einem Ort oder einer Landschaft jedoch in Klammern gesetzt dahinter, sind insofern in ihrer Bedeutung wieder relativiert. Sie geben einen Hintergrund für die Bildfindung des Künstlers an, die auch für den Betrachter einen Bezug herstellen, wenn auch chiffriert. Er verweist darauf, dass die Bildfindung erinnernden Charakter, Bezug nehmenden hat. Sie sind also nicht rein abstrakt, synthetisch, obwohl die Bilder auf den ersten Blick so erscheinen mögen. Es gibt zwischen den Linien Zwischenräume. Gehören diese konstituierend mit zum Bild? Ist das ein gemeinsamer Raum? Der des Betrachters und der des Künstlers zugleich? Die Zwischenräume könnten imaginär durch die Möglichkeit ihrer Fortführung im Raum noch weiter ausgreifen und die Linien durch Ihre Körperlichkeit, ihre reliefartige Hervorhebung weitergedacht noch zusätzlich Platz einnehmen. Ist das Bild fertig? Keine Farbe, die Nichtfarbe Weiß. Lichtschluckendes Weiß, kein Glanz. Vielleicht wäre es eine Lesart zu behaupten, Herbert Hinteregger kritisiert und behauptet sich vor einer geisttötenden Bilderflut durch Respekt vor sich und dem Betrachter, indem sich das Bild zwischen Betrachter und Künstler befindet, immer neu und immer wieder anders. Kunst als Kommunikator. Das Spiegelbild (Kugelschreibertinte mit einem Schwamm auf das Glas aufgetragen) verdeutlicht dies noch mehr. Auch der vorgefertigte Spiegel schafft Raum: Die Illusion des Betrachters im Spiegelbild und die Farbe dazwischen, als Konkretes. Farbe als Material, das künstlerische Medium schlechthin. Um nicht immer nur sich selbst im Bild wieder zusehen hat Herbert Hinteregger seine Kunst dazwischen gebracht. 

Axel Jablonski